Projekt FALKE I (2015-2018)

Mit Fraunhofer-Innovationen unser Kulturerbe schützen – ein Modellprojekt

Im Projekt »Mit Fraunhofer-Innovationen unser Kulturerbe schützen« entwickelten 16 Fraunhofer-Institute über drei Jahre neue Konservierungs- und Digitalisierungskonzepte. Sie leisteten damit einen bedeutenden Beitrag zur Sicherung des deutschen und europäischen Kulturerbes. Das Projekt bündelte die Kompetenzen von technologieorientierten und sozioökonomisch ausgerichteten Fraunhofer-Instituten mit den geistes- und kulturwissenschaftlichen Kompetenzen der sächsischen Partner.

Die Ergebnisse des Projekts und des Folgeprojekts FALKE II wurden 2023 veröffentlicht: Fraunhofer Technologies for Heritage Protection

Im Projekt wurden folgende Kernthemen adressiert:

Teilprojekt 1a: Untersuchung luftgetragener Partikel
Fraunhofer WKI

Im Rahmen der Sanierung der Gemäldegalerie Alte Meister der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) 2013 bis 2018 wurde u. a. die Stützstrahlanlage durch eine sogenannte Quelllüftung ersetzt. Es stellte sich die Frage, inwieweit sich die beiden Lüftungssysteme hinsichtlich des Aufkommens und der Verteilung von Stäuben und Partikeln in den Ausstellungsräumen unterscheiden und ob das Staubaufkommen durch den Wechsel des Lüftungssystems reduziert werden konnte.

Im Projekt wurden zwei Messreihen in der Gemäldegalerie Alte Meister durchgeführt: 2015  vor der Sanierung und 2016 nach der Umstellung. Für den Vergleich wurden in einer dritten Messreihe 2018 zusätzlich Untersuchungen in der Gemäldegalerie Neue Meister durchgeführt, die überwiegend über natürliche Lüftung verfügt. Das Messprogramm umfasste sowohl die Messung von Partikeln als auch von luftgetragenen Fremdstoffen.

weiterführende Details:
Fraunhofer Technologies for Heritage Protection, Chapter 3 – Preservation of historical materials in times of climate change, 1.4 Particles and dust

Teilprojekt 1b: Restaurierungsmaterialien auf Basis hybrider Polymerwerkstoffe (ORMOCER®e) für Glas-Emails, Elfenbein- und Bergkristallkunstobjekte
Fraunhofer ISC, ICT

Das Fraunhofer ISC hat in den späten 1990er Jahren neuartige Materialien auf der Basis von Hybridpolymeren (ORMOCER®e) zur Festigung von Emails entwickelt. Dabei zeigte sich, dass diese Spezialpolymere eine hohe Festigungs- und Konsolidierungswirkung, d. h. Haftung auf unterschiedlichen Oberflächen und Dauerelastizität besitzen, sodass damit für geschädigte wertvolle Goldemailpretiosen hinsichtlich Brillanz, Farbeindruck und Stabilität hervorragende Restaurierungsergebnisse erzielt werden konnten. Inzwischen liegen Langzeiterfahrungen vor, die zeigen, dass diese maßgeschneiderten Materialien auch nach über 18 Jahren Exposition im Grünen Gewölbe immer noch hervorragend funktionieren.

Leider konnte die Synthese dieser farblosen Siliconharzartigen Materialien einige Jahre später nicht mehr erfolgreich durchgeführt werden, da die Ausgangskomponenten und Lösemittel aus der chemischen Industrie nicht mehr in der gleichen Qualität verfügbar waren, schneller alterten oder reaktiver waren. Im Projekt wurden die heute verfügbaren Ausgangskomponenten vollständig mit ihren Eigenschaftsprofilen charakterisiert, die Synthese der ORMOCER®-Materialien neu aufgesetzt, um sie auf der Nanoskala zu verstehen und zu kontrollieren. Die neu synthetisierten Email-ORMOCER®e lieferten beim Restaurator und in Bewitterungsversuchen vergleichbar gute Konsolidierungsresultate wie in den früheren Versuchen.

weiterführende Details:
Fraunhofer Technologies for Heritage Protection, Chapter 3 – Preservation of historical materials in times of climate change, 1.3 ORMOCER®s – inorganic-organic hybrid polymers in conservation

Teilprojekt 1c: Der sozioökonomische Wert von Kulturerbe – Konzeptentwicklung und Anwendung
Fraunhofer IMW

Bei (Investitions-)Entscheidungen für den Schutz und Erhalt von Kulturerbe ist die Kostenseite stets leichter darstellbar als die Nutzenseite. Dies führt dazu, dass der gesellschaftliche Wert des Kulturerbes in der Betrachtung häufig vernachlässigt wird. Das Teilvorhaben 1c) hatte zum Ziel, einen Beitrag zur Erfassung und Bewertung des sozioökonomischen Wertes von Kulturerbe zu leisten. Vor diesem Hintergrund wurde systematisch untersucht, welche Aspekte den gesellschaftlichen Gesamtwert von Kulturerbe ausmachen und wie man diese in ökonomischen Dimensionen darstellen kann. In diesem Zusammenhang wurde der interdisziplinär entwickelte Ökosystemdienstleistungsansatz als geeignete methodische Grundlage identifiziert und das Konzept des Total-Economic-Value (TEV) auf Kulturerbe übertragen.

In Abstimmung mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) wurde das Völkerkundemuseum in Herrnhut als empirische Fallstudie ausgewählt. Für die Datenerhebung wurden zwei Befragungen durchgeführt:  Eine repräsentative deutschlandweite Befragung von Nichtbesucher:innen unter Anwendung der Kontingenten Bewertungsmethode, um Aussagen zum zukünftigen nutzerabhängigen Wert (dem sogenannten Optionswert) sowie den nutzungsunabhängigen Werten zu generieren. Die zweite Befragung richtete sich an die Besucherinnen und Besucher des Museums, um unter Anwendung der Reisekostenmethode Aussagen zum heutigen nutzerabhängigen Wert zu generieren.

weiterführende Details:
Fraunhofer Technologies for Heritage Protection, Chapter 4 – Value of cultural heritage and visitor preferences, 1. Use and non-use values of cultural heritage

Teilprojekt 2: Zusammenführung neuartiger digitaler 3D-Schadens- und Materialanalysen für die Dresdner Skulpturensammlung

TP 2.1: Digitalisierung und Schadensdetektion an Marmorskulpturen
Fraunhofer IBMT, IPM, IGD, IAP, IGB, UMSICHT, ITWM

TP 2.2: Digitalisierung und Schadensdetektion an (Sand)-Steinskulpturen
Fraunhofer IPM, IGD, IBMT, IAP, IGB, UMSICHT, ITWM

TP 2.3: Digitalisierung und Schadensdetektion an Holzskulpturen
Fraunhofer IGD, UMSICHT, IPM, ITWM  

In den drei oben genannten Teilprojekten erfolgte eine mikrometergenaue digitale Erfassung von Objektoberflächen in 3D (Geometrie, Textur, optische Materialeigenschaften wie Reflektion und Absorptionsverhalten) u. a. mit CultLab3D, der multimodularen, automatisierten 3D-Scanstraße für Kulturartefakte des Fraunhofer IGD. Für die Erfassung von größeren bzw. schwer zugänglichen Objekten wurde alternativ ein mobiler Laserscanner verwendet. Eine hochaufgelöste Aufnahme und Analyse der Oberfläche bis in den Nanometerbereich wurde zusätzlich mithilfe der konfokalen Mikroskopie umgesetzt, die der weiteren Schadensanalyse dient.

Desweiteren erfolgte eine Analyse des inneren Zustandes durch volumetrische Messverfahren wie die mobile Ultraschalltomografie mittels Wandler und einkanaliger Elektronik. Dabei wurde die Erfassung einer Ultraschalltomografie
erstmalig so modifiziert, dass die Dauer für die Aufnahme eines Tomogramms auf wenige Sekunden reduziert werden konnte (statt mehrere Tage). Zusätzlich wurden innovative Koppelschichten entwickelt und bereitgestellt (IAP, IGB), die
die Performance der Ultraschallwandler und die Qualität der Ultraschallmessungen steigern. Komplementär zu Ultraschall wurde die berührungslose Terahertztechnologie angewendet, die für tomografische Aufnahmen und Feuchtigkeitsbestimmung im Inneren von Objekten stationär oder als mobiles System vor Ort eingesetzt wird. Da bislang keine systematischen Messungen mit Terahertzwellen an Marmorskulpturen durchgeführt wurden, sollte ihr Potential für die Analyse des inneren Zustandes von Marmorskulpturen ermittelt werden. Auch wird sie als Standardverfahren bei den Holzskulpturen angewendet, da die Querschnittserfassung hier einfacher als mit Ultraschall ist.

weiterführende Details:
Fraunhofer Technologies for Heritage Protection, Chapter 2 – Digital twins, damage detection and material analysis

Teilprojekt 2: Zusammenführung neuartiger digitaler 3D-Schadens- und Materialanalysen für die Dresdner Skulpturensammlung

TP 2.4: Bioziduntersuchungen an textilen Objekten
Fraunhofer UMSICHT, IWS

Viele Kunstgegenstände bleiben der Öffentlichkeit verborgen, da sie mit Bioziden kontaminiert sind und folglich nicht ausgestellt werden können. Eine genaue Kenntnis des Kontaminationsgrades ist von großer Bedeutung für die Dekontamination. Die meisten Nachweisverfahren für Biozide arbeiten zerstörend mit Probenentnahme. Spektroskopische Untersuchungen mit elektromagnetischen Wellen im THz-Bereich und im nahen infraroten Spektralbereich haben den Charme, absolut zerstörungsfrei zu sein.

Im Projekt wurden Möglichkeiten und Grenzen des Nachweises von Bioziden mit THz-Technologie untersucht. Parallel dazu wurde nach weiteren Alternativen zur zerstörungsfreien molekülselektiven Detektion von Bioziden gesucht.

Teilprojekt 2: Zusammenführung neuartiger digitaler 3D-Schadens- und Materialanalysen für die Dresdner Skulpturensammlung

TP 2.5 Wissensaufbereitung und 3D-Visualisierung von digitalisierten Kunstobjekten
Fraunhofer HHI, IGD

Entwicklung von Verfahren zur Datenaufbereitung und Visualisierung von digitalisierten Kunstobjekten im web-basierten Visualisierung-Framework x3dom. Zugrunde gelegt wurde der Prototyp eines web-basierten 3D-zentrierten Annotationstools mit Anbindung an ein CIDOC-CRM kompatibles Metadaten-Repository. Dieses wurde weiterentwickelt, um die 3D-konsolidierten Daten anzeigen und analysieren zu können. Ferner hat ein Tracking-Modul vom Fraunhofer HHI es ermöglicht, dass der Benutzer gesten-basiert die dreidimensionalen Objekte drehen und manipulieren kann. Ein neuentwickeltes hochauflösendes autostereoskopisches 5k-Display diente als Ausgabemedium, welches ein sogenanntes Floating Image erzeugt. Mit dieser brillenlosen stereoskopischen 3D-Darstellung gewinnt der Nutzer den Eindruck, als schwebe das Kunstobjekt vor dem Display. Zum anderen wurde ein Konzept für einen interaktiven 3D-Web-Arbeitsplatz entworfen und
umgesetzt. In enger Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IGD wurden dabei unterschiedlichste Visualisierungen von 3D-Objekten in die Datenbank integriert und entsprechende Darstellungen der verschiedenen 3D-Modelldaten umgesetzt.

weiterführende Details:
Fraunhofer Technologies for Heritage Protection, Chapter 2 – Digital twins, damage detection and material analysis, 5. Visualization for cultural heritage

Kontakt:

Uta Pollmer

Wissenschaftliche Mitarbeiterin Gruppe Innovationsakzeptanz
Co-Koordinatorin Forschungsallianz Kulturerbe

Fraunhofer IMW
Martin-Luther-Ring 13
04109 Leipzig

Tel. +49 341 231039-125
uta.pollmer [at] imw.fraunhofer.de